Die Nacht war wieder verregnet und gegen morgens halb acht ließen die Tropfen zum Glück nach, sodass wir einigermaßen trocken alle Sachen verstauen konnten. Allein das Zelt musste klitschnass in die Tasche.
Aufgrund der geschlossenen Supermärkte am gestrigen Sonntag, wurde heute wieder einmal vor dem Intermarché gefrühstückt. Für Lars ein deftiges Salamibaguette – er kann Joghurt mit Obst und Müsli nicht mehr sehen – und für Andreas eben diesen Klassiker. Am Ortsausgang genehmigten wir uns noch einen Espresso mit einem leckeren Teilchen vom Boulanger und machten uns gegen 10Uhr auf den Weg zum Einstieg in den Col d’Aubisque.
Eine Hinweistafel informierte uns, wie bereits beim gestrigen Marie Blanque, über die Anstiegsprozente in den jeweiligen Abschnitten. Eine lösbare Aufgabe lag vor uns. Sehr moderat ging es los, immer wieder konnten wir den kleiner werdenden Ort Laruns mit seinen typisch anthrazitfarbenen Häusern sehen, während wir uns Höhenmeter um Höhenmeter erarbeiteten. Begleitet wurden wir auf der gesamten Passstraße von zahlreichen Rennradfahrern, die teilweise an uns vorbeischossen, uns langsam überholten oder sogar von uns überholt wurden. Hierbei handelte es sich aber speziell um drei Herren, die fast doppelt so alt wie wir waren und mit der Ambition den Aubisque hochfuhren, einen entspannten Tag mit einer Bergauffahrt zu verbringen. Ihre Frauen warteten an ausgewählten Passagen, um ihre Männer zu verpflegen und zu motivieren – eine wirklich heitere Gruppe.
Im, vom Nebel durchzogenen, noch geisterhaft wirkenden Örtchen Eaux Belles, erinnerten die mondänen Fassaden an prachtvolle Zeiten des Bergstädtchens. Hinter den Fensterläden und verstaubten Scheiben fanden aber sicher schon lange keine ausgelassenen Feiern statt. Das Ortsschild markierte für uns das Verlassen der flacheren Passagen und entließ uns in den steileren Abschnitt des Aufstiegs. Der Nebel wurde immer dichter, Radfahrer verschwanden bereits nach kürzester Zeit vor uns im Nebel – zollten sie uns eben noch anerkennend Respekt, ob unserer Leistung, hier mit so viel Gepäck hochzufahren, erahnten wir 30 Meter vor uns nur noch verschwommene Silhouetten, bevor der Nebel sie gänzlich verschluckte.
Ab und an hörten wir Glockengeläut, die dazugehörigen Kühe bekamen wir aber nie zu Gesicht. Wie würde die Aussicht wohl hier sein? Ging es neben uns steil bergab? Keine Ahnung, der Nebel ließ uns nur vermuten. So kurbelten wir 14km in mal mehr mal weniger dichtem Nebel. Einen sonnigen Pass vorzufinden, hatten wir schon fast abgeschrieben, als sich knapp einen Kilometer vor der Passhöhe die Wolken kurz Richtung Tal verzogen und wir unter strahlend blauem Himmel radelten. So syrreal, so überraschend und wieder so einzigartig abgefahren – ein irres Naturschauspiel, womit wir oben belohnt wurden. Unter uns lagen die Wolken, neben uns standen, wie schon so oft auf den Gipfeln, sehr entspannte Pferde und wir beschlossen, diesen Moment noch eine Weile bei Crêpes und Croque Monsieur zu genießen.
Die kurze Abfahrt und der Gegenanstieg zum Col de Soulor entwickelten sich wieder zur Fahrt durch die Wolke. Kalt und nass erreichten wir den zweiten Pass des Tages – dieses Mal ohne Sonne und ohne Aussicht.
So mussten wir nicht lange nachdenken, ob wir weiterfahren und stürzten in die sehr lange Abfahrt nach Argelès-Gazost. Mittlerweile war auch wieder die Sonne hinter der Wolkendecke hervorgetreten und ermöglichte uns die Weiterfahrt ohne Langarmtrikots. Im Ort angekommen, erspähte Lars einen Radladen, in dem wir unseren Reifendruck wieder auffrischten und bogen anschließend rechts auf die leider sehr frequentierte D921 ab. Parallel zu einem rauschenden Bergfluss schraubten wir uns bis in unser Etappenziel Luz Saint Saveur.
Auf dem Zeltplatz am Ortsausgang trockneten wir als erstes das noch durchnässte Zelt im stetig aus dem Tal hoch wehenden Wind. Nach dem obligatorischen Sprung in den Zeltplatzpool, schlemmten wir heute eine leckere Pasta Bolognese. Der rauschende Bergbach neben unserem Nachtlager säuselt uns nun in den Schlaf. Auf eine geruhsame Nacht und einen kraftspendenden Schlaf, um die morgige Aufgabe meistern zu können – den Col du Tourmalet.
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