Was soll ich sagen? Ich brauche einen dickeren Schlafsack oder sollte nicht mehr soweit oben übernachten. Uwe fand es kühl, er hat aber nicht gefroren. Ich hatte Socken, Jogginghose, Shirt und Fleecejacke an. Und habe gefroren.
Ich versuchte dann, mich so klein wie möglich zusammen zu rollen, Embryostellung. Das half ein wenig. Jedes mal, wenn ich mich im Schlaf dann wieder lang machte, wurde ich wieder wach vor Kälte. Dementsprechend erkannte ich heute morgen zunächst nicht den alten, faltigen Mann, mit tiefen Tränensäcken, im Spiegel. Zum Zeltabbau zogen wir uns richtig warm an, sogar mit Mütze und so Wintersachen. Die Luft auserhalb des Zeltes war wohl sehr trocken, sodass alle Sachen, die draußen auf der Leine geblieben waren, trocken wurden.
Punkt um 8 holten wir unsere bestellten Backwaren ab und genossen diese zusammen mit Tee, Kaffee und einem tollen Ausblick und Sonne im Gesicht. Das war klasse.
Um 8:40 ging es los. Und zwar los los. In den Anstieg des Izoard mit unzähligen Serpentinen. Mit der Ausnahme einer kleinen Senke, kurz vor dem Gipfel, immer mit 8, meist über 10 % ging es wie im Fahrstuhl nach oben. Guten Morgen.
Die letzten beiden Kilometer fuhren wir wieder zusammen und erreichten um 10:15 den Gipfelobelisken. Wir nahmen uns wieder Zeit für Ausblicke und Fotos. Wir bemerkten zudem, dass die Südaufahrten auf der Route des Grandes Alpes wohl in aller Regel steiler, jedoch meist auch kürzer sind. Ein guter Ausblick für die kommenden Tage.
Die Abfahrt war zunächst eine Bremsorgie, da sich die Straße in vielen, engen Serpentinen Richtung Tal zog. Unterbrochen von einem Gegenanstieg, konnten wir dann laufen lassen. In Briançon angekommen, ging Uwe in den örtlichen Leclerc und wurde 30 Minuten nicht mehr gesehen. Er durchstreifte alle Gänge und wsr sehr erstaunt, wie groß das Ding wäre. Allerlei Spezialitäten gab es, die wir für das Mittagessen gut gebrauchen konnten. Käse, Mortadella und Gemüse. Wahrscheinlich.
Es ging von hier hinauf auf den Col du Lauratet. Mittag aßen wir in einem kleinen Dörfchen mit Holzbänken und Brunnen und Trinkwasser. Der Anstieg war 27 Kilometer lang und sollte uns seicht, nie über 6 % Steigung, nach oben führen. Die Straße war der Horror. Autos, LKWs, Motorräder. Es gab mehrere Situationen, in denen von unserer Seite der Mittelfinger geflogen kam, weil wir fast von der Straße geschoben wurden. Links traten Gletscher hervor, die majestätisch über dem Tal hingen.
Ich wartete kurz vorm Col auf Uwe und gemeinsam fuhren wir den letzten Kilometer des Tages, da sich unser eigentlicher Plan änderte. Ich merkte übrigens später, dass ich meine Trinkflasche an dieser Stelle vergessen hatte. Damit komme ich bis heute auf 2 vergessene Trinkflaschen und 2 liegen gelassene Badehosen. Das mit den Badehosen ist Karma, weil ich gelästert habe. Aber mit den Flaschen…
Der Plan änderte sich, denn von hier oben aus sollte es Richtung Grenoble 4 Kilometer bergab zum Zeltplatz gehen. Leider hätten wir das ganze den nächsten Tag wieder bergauf fahren müssen, da der Lauratat eben auch nach Norden zum Galibier abzweigt. Ein verwegener Plan wuchs bereits beim Mittag in unseren Köpfen. Wir wollten einfach im Hotel am Pass einchecken. War nicht ganz billig. Blick auf den Gletscher, super Essen. Was solls, es ist Urlaub!
Wir kamen demnach in Hochstimmung oben an. Lachen, Freude, Passfoto und Zungenkuss. Also das letzte nicht, aber ich will eben die Grundstimmung bildhaft rüber bringen. Es war 15:30 und wir konnten einchecken. „NO. Sorry, we have a wedding tomorrow. We are fully booked!“. Bäääähmmmm. Das hat gesessen. Wie ein Schlag ins Gesicht.
Die Idee mit dem Bergabfahren zum Camping nervte uns immer noch. Was war also zu tun? Uwe fragte in einem Laden. Nein, es gab nichts mehr hier oben zum Übernachten. Ich traute mich fast nicht, es auszusprechen. Eine Möglichkeit gab es noch. Über den Galibier, weitere 9 Kilometer und 600 hm. Und dann ins andere Tal. Bääääähmmmm #2. Und Uwe war dabei. Etwas riskant, da wir damit über 2000 hm an einem Tag kommen sollten und ganze drei Hammer über 2000 m bezwingen sollten. Wie reagierten die Körper?
Der Aufstieg wurde gekurbelt. Jeder in seinem Tempo und die letzten 2 Kilometer zusammen. Uwe meckerte über Gott und die Welt. Aber alles sehr lustig. Kann ich hier nicht wiedergeben. Nochnmal eine schöne Rampe mit 13 %. Geschafft! Kacke, es ist schon 17:30…
Wir beschlossen schnell die Abfahrt zu nehmen und bis Saint-Michelle-de-Maurienne zu rollen. Da ich oben kein Internet hatte, klang das vernünftig. Nach kurzer Zeit konnte ich aber an den Randsteinen lesen, dass es noch 33 Kilometer sein sollten. Ich wurde unruhig. In Valloire hielten wir eben, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir hatten 80 Kilometer und 2050 Höhenmeter in den Knochen. Und keinen Bock mehr. Zufällig sah ich, dass wir neben einem Hotel standen. Last Minute Angebot: 68 Euro fürs Zimmer. Frühstück 10 Euro pro Person. Haben wir gemacht. Ein Bett, weiße Bettwäsche und kein kochen. Wir gehen gleich essen.
Die morgige Etappe wird kürzer, da der Galibier ja heute bereits gemeistert wurde. Bis morgen.
1. August 2019 at 21:38
Hallo ihr Radler….
Ich bin berauscht von euren Fotos und belustigt von den Texten.
Danke das ihr uns teilhaben last ,an euren
Strapazen .
Viel Kraft und Durchhaltevermoegen !!!
1. August 2019 at 22:35
Hallo Elke, cool das auch du den Blog liest. Lars überlegt sich schon oft kurz nach dem Start was er schreibt und nutzt Pausen um Notizen zu machen. Er schreibt jeden Abend die Geschichte mit dem Smartphone. Es freut ihn sichtlich, dass es offensichtlich schon etliche Stammleser gibt.
Die Natur ist zum Teil so unglaublich schön.
LG
Uwe
2. August 2019 at 07:03
Hallo Elke,
bitte stell dich eben vor 😉
danke für das Lob! In echt ist alles noch vieeeelllll schöner. Aber die Fotos sind auch klasse. Wenn man da in ein paar Jahren nochmal drüber schaut ist es sicher immer noch toll.
Grüße (unbekannterweise)
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